Die deutsche Wirtschaft befindet sich noch immer im Abschwung. Das hinterlässt auch auf dem deutschen Logistikimmobilienmarkt Spuren – viele Unternehmen zeigen sich verhalten und verlängern ihre Mietverträge, statt in neue Projekte zu investieren.
Doch an anderer Stelle entsteht Dynamik, denn die aktuelle geopolitischen Lage mit Blick auf die Bedrohung aus Russland und den Ukraine-Krieg sorgt dafür, dass nun der Fokus auf der Rüstungsindustrie liegt. Die sicherheitspolitische Zeitenwende und die damit verbundenen steigenden Verteidigungsausgaben bescheren dem Defence-Sektor einen enormen Aufschwung. Bereits 2023 verzeichnete Deutschland mit rund 12,2 Milliarden Euro einen Höchststand an Rüstungsexporten. 2024 wurde diese Summe nochmals um fast zehn Prozent gesteigert – auf über 13,3 Milliarden Euro.
Auf internationaler Ebene einigten sich die NATO-Staaten darauf, langfristig fünf Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit zu investieren. Die EU-Kommission hatte im Frühjahr 2025 veröffentlicht, rund 800 Milliarden Euro in die Verteidigungsindustrie fließen zu lassen, und auch Deutschland stellt über Sondervermögen deutlich mehr finanzielle Mittel für die Verteidigungsfähigkeit zur Verfügung. Die Unterstützung ist mancherorts nicht nur monetär. So brachte in Bayern Ministerpräsident Markus Söder jüngst im Oktober 2025 ein neues Gesetz zur Förderung der Rüstungsindustrie auf den Weg, das die Ansiedlung von Unternehmen aus dem Defence-Segment beschleunigen soll – etwa durch Freistellung von Genehmigungsverfahren oder Vereinfachung des Baurechts. Zudem soll die Bayerische Förderbank die Rüstungsunternehmen finanziell unterstützen. Söder will damit die Führungsrolle des Freistaates in der Verteidigungsindustrie weiter ausbauen, denn schon jetzt sitzen bedeutende Unternehmen der Branche in Bayern oder betreiben dort größere Standorte.
Aufschwung im Verteidigungssektor treibt Flächennachfrage
Deutschland kommt in puncto Verteidigung eine Schlüsselrolle zu: Die geostrategische Lage im Zentrum Europas macht unser Land zur Drehscheibe der europäischen Verteidigung und zum logistischen Backbone. Im Verteidigungsfall ist Deutschland das operative Zentrum Europas und Hauptdrehkreuz für militärische Transporte und Nachschub innerhalb Europas – mit enormer Bedeutung für die NATO-Operationen auf dem Kontinent.
Die erhöhten Mittel für Verteidigung, die nun zur Verfügung gestellt werden, treiben die Nachfrage nach Lager- und Industrieflächen, denn für Material, Ausrüstung und Versorgungsketten werden moderne Lager- und Logistikkapazitäten benötigt. Folglich sorgt die wachsende Verteidigungsindustrie nun für eine neue Flächennachfrage am deutschen Logistikimmobilienmarkt. So zeigen die Daten, die wir im Rahmen unseres Logistikimmobilien Seismographen erheben, dass 2023 die Neubauprojekte für die Rüstungs- und Zuliefererindustrie noch bei unter 10.000 Quadratmetern lagen. Schon 2024 verzehnfachte sich das Neubauvolumen.
Branchenspezifischer Flächenbedarf im Defence-Sektor
Das größte Neubauprojekt des vergangenen Jahres ist eine rund 60.000 Quadratmeter große Lagerhalle in Walsrode für das BW-Bekleidungsmanagement, einem Versorger der Deutschen Bundeswehr. Hier zeigt sich, dass die Defence-Branche sehr breit gefächert ist und verschiedene Industriesegmente mit unterschiedlichen logistischen Anforderungen in sich vereint. Dabei macht der Textilbereich mit Uniformen, Helmen und textilen Schutzartikeln jedoch nur rund vier Prozent der Flächennutzer in puncto Logistik, Light Industrial und Werksflächen in Deutschland aus. Mit einem Anteil von 43 Prozent sind Hersteller von Verteidigungsmitteln wie Waffen, Munition sowie die Entwicklung und Fertigung von gepanzerten Kettenfahrzeugen die mit Abstand größte Nachfragegruppe. Die militärischen Automotive- und Aero-Sektoren folgen mit rund 15 beziehungsweise 13 Prozent. Die Marine mit militärisch eingesetzten U-Booten, Marineschiffen und Über- und Unterwassertechnologien kommt auf knapp 12 Prozent, während die Elektroniksparte mit Simulations- und Sensortechnologien etwa sieben Prozent ausmacht.
Positive Impulse für den Markt
Der wachsende Bedarf der boomenden Branche geht über reine Lagerflächen hinaus und zeigt sich in langfristigen Standort- und Expansionsstrategien. Führende Konzerne wie Airbus, Diehl Defence und Rheinmetall erweitern ihre Werksflächen teils massiv, was langfristig auch den Zuliefermarkt weiter beleben wird. Daneben könnten Unternehmen vom Wachstum der Verteidigungsindustrie durch Geschäftserweiterungen profitieren. So plant Rheinmetall eine Umrüstung seines Werks in Neuss. In dem Automobilzuliefererwerk könnten zukünftig Aufklärungssatelliten und Schützenpanzer produziert werden. Hier sieht man Potenzial, den Abschwung in der Automobilbranche aufzufangen und damit auch Arbeitsplätze zu erhalten. Diesen Ansatz verfolgen auch Unternehmen, die nicht im Rüstungsbereich beheimatet sind. So hatte der Industrie- und Autozulieferer Schaeffler, einer der weltweit größten Zulieferunternehmer, jüngst verkündet, stärker in das Rüstungsgeschäft einzusteigen. Das fränkische Unternehmen könnte von Söders neuem Gesetz profitieren, denn es soll genau solche Geschäftserweiterungen deutlich vereinfachen und fördern.
Auch die Logistikdienstleister können sich vorstellen, wirtschaftsbedingte Ausfälle mit Aufträgen aus dem Defence-Bereich zu kompensieren. Sie setzen sich bereits proaktiv mit den hohen Anforderungen der Branche auseinander. Wie unsere Logistikdienstleisterbörse Logivisor.com festgestellt hat, sind mittlerweile mindestens 80 Prozent der Logistikdienstleister offen für Aufträge aus dem Rüstungssektor. Gerade für Dienstleister aus dem Automotive-Bereich kann das attraktiv sein, da manche Prozesse im Defence-Sektor ähnlich gestaltet sind. So können auch hier neue, unabhängige Geschäftsfelder entstehen.
Für den deutschen Logistikimmobilienmarkt entwickelt sich der Defence-Sektor zu einem konjunkturunabhängigen und langfristigen Flächennachfrager. Die Branche muss sich auf einen Paradigmenwechsel einstellen, bei dem hochsichere, autarke und resiliente Immobilien gefragt sind, die über bisherige Standards hinausgehen. Diese Entwicklung könnte die Logistikimmobilie als Teil der kritischen Infrastruktur des Landes neu positionieren.

